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Der Dichter, dessen 100. Todestag wir 1998 begehen, war nur einmal auf einer kleinen Reise in der Neumark. Er besuchte Küstrin, danach Tamsel und von dort aus das Schlachtfeld von Zorndorf.
Im Jahre 1758 hatten die Russen Ostpreußen besetzt und stießen auf Küstrin vor, ohne es nehmen zu können. In Eilmärschen führte Friedrich II. Mitte August 1758 14 000 Mann heran, die am 23. August die Oder bei Güstebiese überschritten, sich nach Norden wandten, mit der preußischen Armee vereinigten und sich gegenüber der russischen Armee lagerten. Zwei Tage später begann eine mörderische Schlacht, in der auf beiden Seiten über 30 000 Mann verbluteten. Alle waren nach diesem Tag völlig erschöpft und außerstande, die unentschiedene Partie noch einmal von vorn zu beginnen. Später wurde aus dieser Situation ein Sieg Friedrichs interpretiert, da Seydlitz mit seiner Kavallerie eine Niederlage der Preußen verhindert hatte.
Die Legende erzählt den Dialog zwischen dem König und seinem General, als Friedrich ihn aufforderte, bei seinem Kopfe anzugreifen. Seydlitz antwortete keck und pflichttreu zugleich: Nach der Schlacht stehe dem Könige sein Kopf zu Befehl, während derselben möge er ihm noch erlauben, davon in seinem Dienste Gebrauch zu machen. Und als er gesiegt hatte, wehrte er ein Lob bescheiden ab, und man kam zu der berühmten Erkenntnis: Keine Schlacht ist verloren, solange das Regiment Garde du Korps nicht angegriffen hat. Von diesen Legenden lebten über zwei Jahrhunderte die preußischen Geschichtsschreiber.
Der Besuch Fontanes auf dem Schlachtfeld war etwas trübsinnig, der Pflug war darüber hinweggegangen. Nur das Denkmal, ein Granitstein auf einem Sockel, stand auf einem kleinen Hügel schon damals dort. Von seinem Reisebegleiter erfuhr er von einer komischen Situation. Ein Küstriner Klempner hatte aus Weißblech eine Figur des Alten Fritz getrieben, man kann sich vorstellen, wie dieses Werk ausgesehen haben mag. Der Mann überzeugte den Grafen Schwerin auf Tamsel, dass er doch gestatten möge, die Figur auf den Obelisken zu stellen und mit Mörtel zu festigen. Wie eine Spukgestalt stand nun der König Mitte des vorigen Jahrhunderts in der Landschaft. Doch das künstlerische Gewissen des Grafen schlug stark, und so entschloss er sich, die Figur wieder abzubauen.
Nachdem das Bildnis einen Winter lang allen Stürmen getrotzt und jegliches Blanke seiner Erscheinung längst eingebüßt hatte, erschienen die Vermummten wieder, und siehe da, nächtlicherweise wie die Statue gekommen war, so verschwand sie wieder. Eine kurze, freudlose Existenz. Wie Leidtragende folgen der Maurerpolier und die Seinen und geleiten die Figur nach Tamsel zurück. In einem der dortigen Kohlenkeller ist sie verschollen.
Der Überlieferung nach soll der König auf der Stelle, an dem der Stein 1826 zu seiner Erinnerung aufgestellt worden war, die Schlacht gelenkt haben. Es ist wohl nicht anzunehmen, dass er bei dem opferreichen Schlachtverlauf ein Denkmal gebilligt haben dürfte. Doch ein Ziel hatte er immerhin erreicht. Die Verbindung der russischen Armee mit ihren Verbündeten war verhindert worden. Die Russen wichen über Landsberg und Stargard nach Nordosten aus. Nach der erfolglosen Belagerung von Kolberg räumten sie dann endgültig Pommern. Die Oder hatten sie nicht bezwingen können. Aber auch Friedrichs Absicht, die russische Armee zu zerschlagen, war den Preußen nicht gelungen. In diesem Sinne ist der Name Zorndorf kein Ruhmesblatt, sondern der blutige Ausdruck für einen politischen Schwebezustand. Die Entscheidung stand noch bevor - ein Jahr später, in Kunersdorf.