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Kandiafara und Guerra Mendes, Mangrovensümpfe und knietiefer Schlamm, Moskitos und Fieber, Hunger und der Blechteller Reis mit dem herrlich-orangeroten Klecks Palmöl, Malam, das Bürschchen, Überlebender einer Dorfhochzeitsfeier, dem wir die von Bombensplittern zerfetzte Hand amputieren, und der kubanische Kamerad, gestern noch an der Vierlings-Flak auf dem Hügel unten am Kongon, unserem Rio Kandiafara, dem es den Kopf weggerissen hat bis auf einen Streifen Haut mit Haaransatz im Nacken ...
Den Einsatz der Kubaner, eines Trupps von etwa 20 Mann hier an der sogenannten "Südfront", hatte - dem Vernehmen nach -Che vereinbart, Ernesto Che Guevara vor jenem Jahr im Kongo, wo er auch Vertreter der aufstrebenden (und heute herrschenden) National-Bourgeoisie kennenlernte (und später - einigermaßen ernüchtert - beschrieb); und wir (außer einem Erfurter Chirurgen und mir: eine französische Jungkommunistin, die in Boké, und ein Arzt aus Woronesh, der in Madina Bóe zum Einsatz kam) - wir waren delegiert worden von der FDJ im Auftrag des Weltbundes der Demokratischen Jugend aufgrund einer Bitte der Befreiungsbewegung von Guiné-Bissau und den Kapverden - Ärzte für Verwundete, zu erwarten beim geplanten Sturm auf die Festung Guiledje, die den Zugang zum Süden kontrollierte und die Gegend von Kandiafara beschoss.
Guiledje ("in den Busch geklotzt" mit dem Know-how bundesdeutscher Experten) fiel Anfang Mai '73 (nach gezieltem Beschuss durch kubanische Artilleristen), und die Verwundeten (angeblich auch zwei gefangen genommene, nicht mehr ausgeflogene Portugiesen) wurden von Kubanern versorgt. - Waren von ihnen versorgt worden und abtransportiert, als wir ("Mitglieder einer internationalen Ärztebrigade") Ende Juni '73 eintrafen. (Und dort, wohin wir beide Mitte Oktober in Marsch gesetzt wurden, auf einem Posten in der fieberverseuchten Region Catió, hatte vor uns monatelang ein kubanischer Arzt, assistiert von Guineern, gearbeitet, gleich uns auch por pov' - für die Bevölkerung.)
Die Russen? - Richtig, als die Seil-Fähre über den Kongon getroffen und versenkt worden war (und die ohnehin dürftige Versorgung blockiert), wurden wir, beordert zu einer Art Rapport nach Conakry, mitsamt anderen Reisegästen zur Nachtzeit übergesetzt von einem fast lautlos aus dem Dunkel aufgetauchten sowjetischen Küstenschutzboot - vermutlich dasselbe, das neun Monate zuvor, in der Nacht nach dem Mord an Amilcar Cabral, dem Generalsekretär der Unabhängigkeitspartei und Kopf der Befreiungsbewegung, das Boot der Attentäter mitsamt dem gefangen genommenen und misshandelten Stellvertreter Cabrals auf halbem Weg nach Bissau, zu den portugiesischen Auftraggebern, geentert hatte (und nach Conakry zurückbugsiert).
Der Stellvertreter von einst wurde später Präsident der Republik der Kapverden, der Kommandeur der Südfront (den ich - beiläufig - wegen einer hartnäckigen Mykose mit Brillantgrün behandelt hatte) Ministerpräsident. Mit ihm und mit Nino, dem ersten (und auch derzeitigen) Präsidenten von Guiné-Bissau, saßen wir, wenn was für die Blechteller da war, wochenlang am selben Tisch unterm Grasdach bei Kandiafara, das der Busch mittlerweile längst geschluckt hat.
Tot oder verschollen, soweit in Erfahrung zu bringen, die meisten Bekannten, Gefährten, Genossen von einst (wobei verblüffend war für unsereins, wie wenige es - darf man sagen: wir? -gewesen sind). Armindo, Umaro, Abdullai, Sago, Josefina, Chico - verunfallt, erschossen bei einem Putschversuch oder gestorben eines sogenannt-normalen, viel zu frühen Todes. Auch Otto, angeblich Neffe eines gewissen Hjalmar und Mitglied des Kriegsrates der Unabhängigkeitspartei (PAIGC), und auch du, Paulo, vormals Student in Cottbus, der du während der ersten Sprechstunden für uns gedolmetscht, später, nunmehr zum Hochschulstudium in Weimar, uns oft besucht hast, schmunzelnd, wenn Claudia, unser drei-, vierjähriges Töchterchen, die fast rituell das Kraushaar frisierte.