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Eine illustre Gesellschaft, lebendige Erinnerungen eines Schriftstellers und eine Schatzsuche - Fünf E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
Achtung, bevor Sie weiterlesen, noch ein wichtiger Hinweis: Ab April 2026 versendet EDITION digital diesen Newsletter sowie die aktuellen Pressemitteilungen nicht mehr per E-Mail. Diese Texte können Sie aber zumeist sogar eher selbst unter den Internet-Adressen https://edition-digital.de/Blog/ (bisheriger Newsletter) und https://edition-digital.de/Presse/ (Pressemitteilungen) finden. Probieren Sie es doch jetzt schon mal aus zum Eingewöhnen.
(Pinnow 07.11. 2025) Dieses Schiffsunglück beschäftigt Menschen noch immer. Und es hat auch ein vielfaches Echo in Film und Literatur gefunden. Dazu gehört auch das fünfte und letzte der insgesamt fünf aktuellen digitalen Sonderangebote dieses Newsletters, die sieben Tage lang zum Sonderpreis im E-Book-Shop www.edition-digital.de (Freitag, 07.11. 2025 bis Freitag, 14.11. 2025) zu haben sind.
Die Rede ist von dem erstmals 1938 erschienenen Roman Das blaue Band von Bernhard Kellermann. Textgrundlage für das E-Book ist die 1982 im Verlag Volk und Welt veröffentlichte 5. Auflage.
Mit der Cosmos, dem größten und modernsten Ozeandampfer seiner Zeit, sticht eine illustre Gesellschaft in See: Industrielle, Künstler, Journalisten - und Menschen mit Geheimnissen. Hinter dem Glanz der luxuriösen Jungfernfahrt flackern Macht, Ehrgeiz, Rivalitäten und Sehnsüchte. Während die Maschinen donnern und das Schiff Kurs auf New York nimmt, entfaltet sich ein Panorama menschlicher Träume und Abgründe.
Bernhard Kellermann verbindet in seinem Roman Das blaue Band mitreißende Erzählkunst mit präziser Beobachtungsgabe: ein spannendes Zeitdokument über Fortschritt, Technikglauben und menschliche Hybris - und eine Geschichte, die an die Jungfernfahrt der Titanic angelehnt ist, die zugleich deren letzte Fahrt werden sollte.
Und so lesen sich die ersten Sätze des spannenden Titanic-Romans Das blaue Band von Bernhard Kellermann:
Die Sirene der Cosmos brüllte. Zuerst waren es nur Erschütterungen der Luft, dann war es ein hohles Surren, und daraus kam ein dumpfes Dröhnen, das mehr und mehr anschwoll und augenblicklich den Lärm des Hafens und die Stimmen der Menschen verschlang.
Das war die Stimme der Cosmos. Und da lag sie selbst, größtes Schiff der Welt und vielleicht das schönste, das Menschen je gebaut hatten. Eine Festung aus schwarzen Panzerplatten, acht Stockwerke hoch, mit Hunderttausenden von Nieten bedeckt, noch umprasselt vom Lärm der elektrischen Niethämmer. Oben die Decks, wimmelnd von Passagieren, eine weiße Märchenstadt aus blitzendem Kristall, und darüber drei dicke, rote, kurze Türme, die schwarzen, dicken Qualm ausstießen. In wenigen Minuten sollte sie zu ihrer ersten Reise nach New York in See gehen.
Der ferne Ton eines Trompetensignals drang aus der Festung aus schwarzen Panzerplatten, und Arbeiter rollten den hohen Treppenturm zur Seite. Nun war der Dampfer mit dem Land nur noch durch einen breiten Laufsteg verbunden, der vom Kai zur Schiffspforte führte.
Mit diesem Newsletter setzt EDITION digital die Präsentation von Büchern des einst sehr bekannten Schriftstellers Bernhard Kellermann (1879 bis 1951) fort, der zu seinen Lebzeiten viel unterwegs war wie auch die Titel und Themen seiner Werke zeigen. Zunächst aber stellen wir eine Art zusammengesetzter Memoiren dieses Autors vor.
Erstmals 1979 gab H. D. Tschörtner unter Mitarbeit von Georg Wenzel im Verlag Volk und Welt Berlin Wege, Worte, Welt Erinnerungen heraus. Diese finden sich in dem Band EINE NACHLESE 1906-1951.
Mit leichter Hand und wachem Blick erzählt Bernhard Kellermann von den entscheidenden Momenten seines Lebens - vom Aufbruch eines jungen Mannes mit Rucksack über die Wanderjahre durch Franken, die Schweiz und Frankreich bis zu Begegnungen mit großen Persönlichkeiten der Literatur wie Hermann Hesse.
Diese Erinnerungen sind mehr als eine persönliche Lebensgeschichte: Sie zeichnen ein lebendiges Bild einer ganzen Epoche - zwischen Kaiserreich, Weltkriegen und Nachkriegszeit. Kellermann berichtet eindrucksvoll, wie ein junger Künstler seinen Platz in der Welt sucht, das Leben in Paris erlebt, den Aufstieg der Moderne beobachtet und politische Umbrüche miterlebt.
Eine kluge, nachdenkliche und zugleich mit Humor durchzogene Selbstreflexion eines Mannes, der Weltgeschichte nicht nur erlebt, sondern literarisch geprägt hat.
Aus demselben Band EINE NACHLESE 1906-1951 stammen auch die wahrscheinlich in den Jahren 1935 bis 1940 entstandenen Texte Helden des Alltags Menschen zwischen Pflicht und Liebe. Mit feinem Blick und großer Menschlichkeit widmet sich der Autor den stillen Helden des Lebens: den Arbeitern, Angestellten, Handwerkern und Familien, die Tag für Tag ihr Bestes geben, ohne dafür Ruhm zu erwarten.
Im Mittelpunkt stehen der Lokomotivführer Wilhelm Sinn - ein pflichtbewusster Mann, der seinen Lebensmut aus der Arbeit schöpft, und dessen Tochter Meta, deren Hochzeit zugleich Aufbruch und Abschied bedeutet. In präzisen, warmen Bildern entfaltet Kellermann das Panorama einer Berliner Mietshauswelt voller Sorgen, Hoffnungen und kleiner Triumphe.
Ein tief berührender Roman über Verantwortung, Liebe und Würde im Alltag - ebenso zeitlos wie menschennah.
Eine kleine literarische Überraschung bietet das ebenfalls in dem Band EINE NACHLESE 1906-1951 enthaltene Märchen Die Geschichte von der verlorenen Wimper der Prinzessin. In einem fernen Königreich bezaubert eine Prinzessin alle mit ihren goldenen Wimpern, die im Abendlicht wie Sonnenstrahlen leuchten. Ein junger Prinz reitet voller Hoffnung zu ihr - doch als eine einzige Wimper zu Boden fällt, beginnt ein unglaubliches Abenteuer. Die Suche nach dem winzigen Schatz wird zu einer Geschichte über Stolz, Sehnsucht und die Kraft des Unerwarteten.
Mit märchenhafter Sprache, Humor und feiner Ironie erzählt Bernhard Kellermann ein königliches Spiel um Schönheit, Macht und die kleinen Dinge, die große Bedeutung haben. Ein zeitloses Märchen für Kinder und Erwachsene.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Wieder geht es heute um die Schrecken des Krieges, um Verlorenheit und Verzweiflung an der Front.
Aus dem Jahr 1942 stammt die Erzählung Der Schneesturm tobt von Friedrich Wolf: Inmitten des russischen Winters 1941 kämpft ein Unteroffizier der Wehrmacht ums Überleben, während der Schneesturm tobt und die Front seine Kameraden reihenweise verschlingt. Der Schneesturm tobt schildert die zermürbenden Erlebnisse der deutschen Soldaten, die in einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist, in der eisigen Weite Russlands gestrandet sind. Ohne Hoffnung auf einen schnellen Sieg kämpft die Einheit nicht nur gegen die unbarmherzige Kälte und den unerbittlichen Gegner, sondern auch gegen das Wissen, dass der Tod allgegenwärtig ist. Ein eindringliches Tagebuch über den Winterfeldzug in Russland - ein Zeugnis der Verlorenheit und Verzweiflung in den Reihen der Wehrmacht.
Hier die ersten Sätze dieser Erzählung:
Jener Unteroffizier der Infanteriedivision Fliebe, der am Dezember 1941 bei einem Nachtgefecht in einem Dorf bei Marinowka, östlich von Charkow, seinen Zugführer Hans Simmen und viele Kameraden seiner Gruppe verlor, hat um Weihnachten und Neujahr keine sehr freudigen Erlebnisse. Er denkt wie alle Soldaten der Hitlerarmee ein wenig nach, wie anders es eigentlich sein könnte, wenn man jetzt daheim wäre bei dem festlich geschmückten Weihnachtsbaum, bei Muttern, und wenn man ein liebes Mädel zur Seite hätte.
Aber da draußen tobt der Schneesturm. Und der Unteroffizier muss alle zwei Stunden eine Runde bei den Außenwachen am Dorfrand machen. Denn der Russe versteht keinen Spaß, wie der Unteroffizier sehr richtig bemerkt. Ja, es wird immer klarer, dass dieses Russlandunternehmen wirklich kein Spaß ist für die Übermenschen der Hitlerarmee, die doch wie ein geölter Blitz die Welt erobern wollten. Und jetzt wehrt sich der Russe, weil man in Russland eingerückt ist und so einige tausend Dörfer niedergebrannt und einige hunderttausend Frauen, Greise und Kinder aus diesen Dörfern verjagt, in den Hungertod in die Wintersteppe getrieben oder aufgehängt oder erschossen hat.
Ein störrisches Volk! Unerhört! Und dass die Russen es wagen, einem sogar den Weihnachtsabend und den Heimaturlaub zu verderben, das ist direkt schon eine Gemeinheit! So denkt der Unteroffizier der Fliebe-Division. Aber da rattern plötzlich die MGs vor dem Dorfrand, schon knallt es überall im Dorf. Der Unteroffizier rennt mit seiner Maschinenpistole hinaus, denn das merkt er, hier ist nicht viel Zeit zu verlieren. Aber es ist schon zu spät. Am nächsten Tag, am 24. Dezember 1941, trägt er in sein Tagebuch ein: Ein russischer Spähtrupp war im Ort. Wieder fünf Tote und mehrere Verwundete. Die Kerls kamen wie die Geister, ohne dass man sie merkt. Die kennen ihr Land! Sie haben sogar ein paar Leute von uns als Gefangene mitgeschleppt.
In seiner Autobiografie Wege, Worte, Welt Erinnerungen blickt Bernhard Kellermann mit feinem Humor und Sinn für das Wesentliche auf Stationen seines Lebens zurück. In der folgenden Leseprobe schildert er seine ersten Eindrücke von Paris eine Begegnung mit neuen Menschen, unerwarteten Zufällen und dem Beginn einer besonderen Zeit.
Eines Tages, als ich im Stephanie eine französische Zeitung las, sprach mich ein junger Mann an mit etwas verwilderten schwarzen Haaren. Es war ein polnischer Journalist namens Basler. In seiner Begleitung befand sich eine schmächtige junge Dame, eine Engländerin, die keine Silbe Deutsch und sehr schlecht Französisch sprach. Sie war etwas exaltiert gekleidet und trug ein kühnes Pariser Hütchen mit einem blauen Schleier. Da ihr gerade in der Mitte des Mundes ein Zahn fehlte, hielt sie beim Sprechen stets die Hand vor den Mund.
Der Pole war von einer Pariser Zeitung nach München geschickt worden, um einen Aufsatz über München als Kunststadt zu schreiben, und bat mich um einige Hinweise, die ich ihm gern gab. Im Laufe der Unterhaltung schwärmte er in überschwänglicher Weise von Paris und riet mir dringend, es mir bald anzusehen. Dort werden Sie wirklich sehen, wie weit man heute in der Malerei ist, sagte er.
Aber, was wollen Sie, ich habe kein Geld.
Der Pole lachte. Kein Geld? Wenn Sie in München leben können, leben Sie zehnmal in Paris. Paris ist die billigste Stadt der Welt.
Wenn man es kennt, vielleicht.
Nun, ich werde Ihnen Paris zeigen. Ich werde Ihr Führer sein. Senden Sie mir ein Telegramm, und ich bin an Ort und Stelle.
Wir haben ja auch kein Geld, warf die Engländerin ein, und wir leben doch. Ja, kommen Sie nur.
Den vorigen Winter hatte ich in Rom verbracht und mir vorgenommen, den kommenden Winter in Paris zu leben. Musste ich es nicht als ein Wohlwollen der Götter betrachten, dass sie mir einen Führer für Paris in der Gestalt des Herrn Basler nach München schickten? Es wäre leichtfertig gewesen, diesen Hinweis zu übersehen.
Ich machte Dorn und Erika einen Abschiedsbesuch, um ihnen Lebewohl zu sagen. Wirst du denn deiner Mutter noch in die Augen sehen können, wenn du in Paris gelebt hast?, fragte Erika, die in vielen Dingen merkwürdige Ansichten hatte.
Meine Mutter ist nicht so empfindlich.
Am nächsten Tag fuhr ich nach Paris. Schon bei der Ankunft ereignete sich ein glückverheißendes Wunder. Der Zollbeamte fragte mich, ob ich zollpflichtige Dinge bei mir habe, Zigaretten zum Beispiel, und obschon ich zweihundert Zigaretten in meinen Manteltaschen verstaut hatte, leugnete ich es natürlich. Da fuhr der Zöllner mit seiner mächtigen Pranke in meine Manteltasche, in der sich hundert Zigaretten befanden, und ließ mich gehen. Ich fühlte mich erlöst, denn seine Entdeckung hätte mir den größten Teil meines Vermögens gekostet, aber ich weiß heute noch nicht, wie es kam, dass er von all den hundert Zigaretten keine einzige spürte.
Die Straßen waren nur spärlich beleuchtet und machten einen düsteren Eindruck, stundenlang klapperte unsere Droschke bis zum Quartier latin. Es regnete, und auf den Lichtinseln scharten sich Trüppchen von Dämchen zusammen, die mir alle sehr dünne Beine zu haben schienen. Mein Einzug in Paris war eine offensichtliche Enttäuschung.
Endlich hielt unsere Droschke in einer schmalen Seitenstraße beim Boulevard Saint-Michel. Mein Freund Basler, den ich kaum kannte, hatte Wort gehalten und mir ein Zimmer in dem kleinen Hotelchen bestellt, das im fünften Stock lag, wohin mich der freundliche Portier sofort führte.
Am nächsten Morgen sah ich, dass es kaum größer war als das Bett. Es hatte einen schmalen Balkon, der auf einen Platz hinausging, auf dem die Omnibusse von Montmartre ihre Endstation hatten. Die Kutscher und Kontrolleure pflegten hier stets aus dem Wagen zu klettern und ihre cent pas zu machen. Sonst war hier nichts zu sehen als die hübsche Angestellte einer Bügelei, die sauber und adrett jeden Tag ihre Wäsche auf einem langen Tisch bügelte, der das ganze Trottoir einnahm. Mit ihr pflegten Kutscher und Kondukteure der Omnibusse stets laut zu scherzen.
In Helden des Alltags Menschen zwischen Pflicht und Liebe zeigt Bernhard Kellermann, wie eng Freude und Verantwortung, Hoffnung und Enttäuschung im Leben verwoben sind. Die folgende Leseprobe erzählt vom Hochzeitstag einer Familie einem Fest zwischen Aufbruch und Melancholie, das bereits den Schatten kommender Ereignisse erahnen lässt.
Wilhelm war von Natur aus sparsam, ohne jedoch knickerig zu sein. Er gönnte sich sein Glas Bier und seine Zigarre und hatte, als seine Frau noch lebte, nur das Teuerste an Radio und Grammophon gekauft. Am Hochzeitstag seiner Ältesten aber wollte er sich keineswegs lumpen lassen. Er besorgte gute und teure Weine, und die Hochzeitsgesellschaft schien mit dem Essen und Trinken zufrieden zu sein.
Für den Abend aber lud er seine Gäste in ein Weinrestaurant an der Leipziger Straße und setzte ihnen ungeheure Platten kalter Speisen und ausgewählte Salate vor. Dazu spendierte er drei Flaschen Sekt und eine herrliche Bombe. Sie aßen und tranken nochmals mit dem besten Appetit, so dass er zufrieden schmunzeln konnte.
Um zehn Uhr verabschiedete sich das Ehepaar Kohlhammer, das gewohnt war, frühzeitig zu Bett zu gehen, gleich darauf brachen die Neuvermählten auf. Wilhelm umarmte Meta. Möchte sie glücklich werden! Sie war etwas launisch und anspruchsvoll, aber dieser Richard war ja ein prachtvoller Junge, bei ihm würde sie es gut haben. Nun würde es noch stiller in seinem Hause werden, aber er fürchtete es nicht. Von heute an konnte er mit neuer Kraft an die Pläne gehen, die ihn beschäftigten. Er wollte sich ein schönes und neues Leben aufbauen. Morgen würde er Rosa von der Traube wiedersehen und versuchen, einen Schritt weiter zu kommen.
Er bestellte noch eine Flasche kostbaren Mosels. Trinken wir jetzt noch ein Gläschen auf unsere Zukunft!, rief er hoffnungsvoll aus. Es geht auch auf unser aller Zukunft! Trinke, Käthchen!
Die Neuvermählten warteten in der Leipziger Straße auf ein Auto. Die Trams schossen vorbei, die Omnibusse donnerten vorüber. Scharen von Schatten hasteten vorbei. Aber alle Autos, die sie anriefen, waren besetzt.
Meta wurde von einer Art Schwindel ergriffen. Alles dreht sich um mich, sagte sie. Sieh doch zu, dass du ein Auto bekommst, Richard. Ich bin betrunken, hörst du. Vater hat es zu gut gemeint.
Auto!, schrie Richard in die Straße. Der Sekt war herrlich, und auch die Bombe war nicht von schlechten Eltern. Ein herrlicher Tag, alles in allem. Käthchen scheint in diesen Glöckner verschossen zu sein, wie? Sie sollte es nicht zu deutlich zeigen, die Kleine. Auto!
Auch dieses Auto war besetzt. Der schöne Tag war in den Abendstunden in böiges Wetter übergegangen.
Schließlich fegten Regenschauer über die Straße. Meta trat in ein Haustor.
Als ein Omnibus heranbrauste, der noch Platz versprach, schlug Richard vor, den Autobus zu nehmen. Das entsprach keineswegs Metas Wünschen. Ein Omnibus an ihrem Hochzeitstag, das schien ihr nicht würdig. Aber da der Regen heftiger einsetzte, raffte sie ihre Kleider hoch und rannte, um den Bus noch zu erreichen. Ich bin so müde, dass mich fast nicht mehr die Beine tragen, sagte sie, als sie einstieg. Ein Omnibus am Hochzeitstag, ob das etwas Gutes bedeutet, dachte sie.
Von der Haltestelle im Osten bis zu ihrem Haus hatten sie noch zehn Minuten zu gehen. Der Regen fegte gegen die Fenster, und Meta glitt unter den Balkons dahin.
Wie abscheulich dieses Wetter!
Richard lachte. Ich finde es herrlich!, rief er aus und eilte neben Meta dahin. Aus der Ferne hörten sie das gellende Läuten der Feuerwehr. Schon laufen die Keller voll Wasser, hörst du, Meta?
Kohlhammer bewohnte eine kleine Wohnung in einer Mietskaserne beim Warschauer Tor. Da sich im Keller des Hauses ein Seifenengrosgeschäft befand, so roch das ganze Haus Tag und Nacht nach Seife, was aber Kohlhammer nicht störte. Er hatte die Wohnung seit Jahren mit seiner Schwester geteilt, die als Buchhalterin tätig war und an Schwermut litt, so dass sie nicht mehr unter Menschen ging und sich schließlich das Leben nahm. Meta hatte die schwermütige Schwester gekannt und die ewig Schweigsame und Jammernde nicht leiden können. Es war ihr nicht gerade angenehm, in einer Wohnung zu leben, in der noch der Schatten der Unglücklichen umherging.
Eine alte Frau, eine Nachbarin, die bei Kohlhammer Aufwartedienste versah, öffnete die Tür, als sie ihre Tritte und Stimmen hörte.
Herr Möllendorf hat soeben angerufen, berichtete sie, als sie Kohlhammer erkannte. Er fragte, wo er Sie erreichen könnte. Sie möchten augenblicklich anklingeln.
Man hat nie Ruhe, versetzte Kohlhammer ärgerlich. Möllendorf war einer seiner Vorgesetzten Ist es schon lange her?
Es könne noch keine fünf Minuten sein. Irgendetwas Dringendes scheine vorzuliegen, wahrscheinlich ein großer Brand.
Mit feinem Witz und märchenhafter Fantasie erzählt Bernhard Kellermann in Die Geschichte von der verlorenen Wimper der Prinzessin von einer königlichen Suche, die immer abenteuerlicher wird. In der folgenden Leseprobe beginnt eine turbulente Jagd nach einer winzigen Wimper und entfaltet sich zu einer wunderbar skurrilen Geschichte voller Überraschungen.
Der Prinz lächelte freundlich. Mein verehrter Freund, so sprach er und legte die Hand auf die Schulter des Gelehrten, es ist da eine Wimper der Prinzessin verloren gegangen, und diese Wimper muss wiedergefunden werden. Hast du in deinem Besitz ein Glas, das die kleinen Dinge groß macht, wie? Ja, Gott sei gepriesen! Wenn du die Wimper der Prinzessin findest, mein Sohn, so will ich dir ein Schloss bauen und einen duftenden Springbrunnen in dem Zimmer, in dem du schläfst wenn du sie aber nicht findest, so werde ich dich mit hundert extra großen scharfzahnigen Ratten in ein Fass einlöten lassen. So steht es! Nun laufe, rasch!
Der Sterngucker sprang, so rasch er konnte, und schleppte das Glas herbei, das die kleinen Dinge groß macht. Nun, mein Freund, sagte der Prinz, vorwärts! Es sollte mir um deinen hübschen grauen Bart leid tun!
Der Sterngucker zitterte jetzt schon an allen Gliedern, aber er machte sich an die Arbeit, und sie sahen tagelang in das Glas hinein, das die kleinen Dinge groß macht. Suche nur!, rief der Prinz. Die Wimper nämlich muss gefunden werden! Der Sterngucker setzte noch eine Brille auf und suchte, bis sich alles vor ihm drehte. Nach vier Tagen hatte er sich so angestrengt, dass ihm die Tränen unausgesetzt aus den Augen liefen, so wie zwei Quellen nach einem Regenguss von einem Felsen springen.
Ich sehe nichts mehr, Gnade!, winselte er.
Du siehst nichts mehr, du blinder Maulwurf!, schrie der Prinz aber der Sterngucker war schon entflohen.
Der Prinz schlug sich an die Stirn. So etwas!, rief er. Die Wimper fällt hierher auf den Boden, und man sollte glauben, sie liege hier! Nein, nein, so etwas Verrücktes habe ich noch nie erlebt ah!
Er hatte alle Lust verloren, er ließ sein Pferd satteln und raste davon, ohne sich noch ein einziges Mal umzusehen.
Man sollte glauben, die Geschichte von der Wimper der Prinzessin sei hier zu Ende. Dem ist aber nicht so.
Kommen wir noch einmal auf den Anfang dieses Newsletters, auf den Untergang der Titanic und auf das Blaue Band zurück. Oft heißt es, dass auch die Titanic auf der Jagd nach diesem Blauen Band gewesen sei und dass sich der Kapitän deshalb zu Unvorsichtigkeiten hinreißen und Gefahren ignoriert haben soll. Aber stimmt das auch?
Checken wir kurz die Fakten: Laut einem Maritimen Lexikon war das Blaue Band des Ozeans eine Auszeichnung für den jeweils schnellsten Passagierdampfer auf dem es also zahlende Mitfahrer gab.
Schon die Kapitäne schneller Weizensegler und Teeklipper hätten sich waghalsige Wettrennen um das Kap Hoorn geliefert, während sich an Land die Sitte ausbreitete, über ihre Geschwindigkeit Wetten abzuschließen.
Später waren es dann die Passagierdampfer, die auf der klassischen Nordatlantikroute um eine begehrte Auszeichnung rangen: um das Blaue Band des Ozeans. Sie ist eine sinnbildliche Auszeichnung für das schnellste Schiff auf der Nordatlantikroute zwischen Europa und Amerika. Anfänglich wurde die Strecke von Queenstown, Southampton, Plymouth oder Cherbourg nach New York gerechnet. Seit 1935 galt und gilt als Rekordstrecke die rund 5.500 km messende Route von der britischen Kanalinsel Bishops Rock bis zum New Yorker Feuerschiff Ambrose-Light. Die begehrte Auszeichnung fällt nun jedem Schiff zu, das diese Strecke in einer Rekordzeit zurückzulegen und in späteren Fahrten während mindestens drei Monaten zu halten vermag.
Erste Gewinnerin war die britische Lucania, die eine Strecke von 2.779 Seemeilen in der Zeit vom 21. Oktober bis zum 26. Oktober in 5 Tagen, 7 Stunden und 23 Minuten zurücklegte und dabei eine Geschwindigkeit von 21,81Knoten erreichte. Das entsprach 40,39212 Kilometern pro Stunde.
In dem allerdings umstrittenen Eintrag des Internet-Lexikons Wikipedia zum Thema
Blaues Band heißt es:
Das Blaue Band (auch: Blaues Band des Atlantiks, Blue Riband of the Atlantic) steht im europäisch-nordamerikanischen Kulturraum für eine Ehrung, die das schnellste Schiff für bezahlende Passagiere auf der Transatlantik-Route Europa New York erhalten hat.
Das Blaue Band wurde wahrscheinlich in den 1860er Jahren von transatlantischen Reedereien zu Publizitätszwecken eingeführt. Anderen Quellen zufolge ist es eine Kreation von britischen Journalisten, die diesen Begriff gegen Ende des 19. Jahrhunderts aus dem heimischen Pferdesport, dem Derby, für die Schifffahrt entlehnt haben. Seit 1780 wird beim Derby nachweislich eine Blaue Schleife dem schnellsten Pferd verliehen als äußeres Zeichen des Sieges. Die Blaue Schleife als Auszeichnung geht wohl wiederum auf das blaue Band (Cordon bleu) des Ordens vom Heiligen Geist zurück, in frankophonen Ländern wird sie auch für besondere Kochkünste verliehen.
In der Dampfschifffahrt bekam nun jedes neue Passagierschiff, das mit seiner Durchschnittsgeschwindigkeit bei der Nordatlantiküberquerung einen Rekord aufstellte, diese Ehrung verliehen. Die vorangegangenen, seit 1838 unter dem Begriff record breaker geführten Dampfschiffe wurden quasi posthum mit dieser Ehre ausgezeichnet. Daher beginnen alle Listen der Rekordschiffe mit Sirius und Great Western aus dem Jahr 1838. Der Beginn der transatlantischen Dampfschifffahrt ist somit auch der Beginn der Geschichte des Kampfes um das Blaue Band.
Da es nie ein offizielles Blaues Band gab, gab es auch keine übergeordneten Institutionen, die es an die record breaker und Reedereien hätten verleihen können. Erst 1935 bekam die Jagd nach dem Blauen Band einen offiziellen Anstrich. Der britische Parlamentsabgeordnete Harold K. Hales stiftete eine silberne Statuette als Symbol für das Blaue Band. Die North Atlantic Blue Riband Challenge Trophy ist etwa 46 Kilogramm schwer und 1,20 Meter hoch.
Auch bei Wikipedia taucht die britische Lucania von 1894 auf allerdings erst weiter hinter. Die Übersicht beginnt dort bereits 1838 mit der gleichfalls britischen Sirius. Dazu ist weiter zu erfahren:
1838 waren in Großbritannien gleich drei Gesellschaften damit beschäftigt, einen Liniendienst mit Dampfschiffen auf dem Atlantik einzurichten: die British & American Steam Navigation Company (B&A) aus London, die Great Western Steamship Company (GW) mit Sitz in Bristol und die Transatlantic Steamship Company in Liverpool. Alle drei hatten eigens Neubauten in Auftrag gegeben. Die Fertigstellung des Neubaus der B&A, der British Queen, verzögerte sich, und so charterte die Gesellschaft den kleinen Raddampfer Sirius (703 BRT) man wollte sich die werbewirksamen Auswirkungen der ersten Atlantikfahrt nicht entgehen lassen. Am 4. April 1838 stach die Sirius nach New York in See, um am 22. April am Ziel anzukommen. Die Sirius war das erste Schiff, das den Atlantik ausschließlich mit Dampfkraft überquert hatte. Nur wenige Stunden nach der Sirius traf auch die Great Western (1340 BRT) der GW ein; da die Great Western einige Tage nach der Sirius losgefahren war, war sie die schnellere. Die Überfahrt der Great Western dauerte 15 Tage und 12 Stunden, dies entsprach einem Mittel von 8,66 Knoten. Im Herbst desselben Jahres nahm auch die Liverpool (1150 BRT) der erste Dampfer mit zwei Schornsteinen von der Transatlantic S.S. Co. den Betrieb auf. 1839 konnte die B&A nun auch ihren Neubau, die British Queen (1862 BRT), in Dienst stellen. Der Passagierverkehr mit Dampfschiffen auf der Transatlantikroute war eröffnet.
Im Übrigen gab es laut Wikipedia auch deutsche Herausforderer: 1897 erhielt die Kaiser Wilhelm der Große (14.349 BRT) das Blaue Band für den Norddeutschen Lloyd aus Bremen mit dem Kapitän Ludwig Störmer, erst auf Ostkurs, 1898 dann auch auf Westkurs. Nicht nur, dass das schnellste Schiff einer deutschen Reederei gehörte, sondern es war auch noch von einer deutschen Werft gebaut worden. Für die damalige Zeit war dies eine kleine Sensation, da bisher britische Reedereien mit auf britischen Werften gebauten Schiffen das Geschehen bestimmten. Für die nächsten zehn Jahre beherrschten deutsche Schiffe den Nordatlantik.
Hier noch ein paar Informationen zu diesem Super-Dampfer:
Die Kaiser Wilhelm der Große, benannt nach Kaiser Wilhelm I., war ein 1897 fertiggestellter Doppelschrauben-Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd für die Linienschifffahrt auf der Transatlantikpassage BremerhavenNew York. Das Passagierschiff war von 1897 bis 1900 Trägerin des Blauen Bands.
Mit ihren vier Schornsteinen verkörperte sie den damals bei Reisenden gefragtesten und spektakulärsten Schiffstyp, der neueste technische Entwicklungen mit Geschwindigkeit und Luxus verband. Als erstes deutsches Schiff gewann die Kaiser Wilhelm der Große das Blaue Band für die schnellste Nordatlantiküberquerung und versah bis 1914 ihren Liniendienst. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde sie von der Kaiserlichen Marine zum Hilfskreuzer umgerüstet und im Handelskrieg vor der westafrikanischen Küste eingesetzt. Noch 1914 wurde sie nach einem Gefecht mit einem britischen Kreuzer von der eigenen Besatzung versenkt.
Ein Hauptaugenmerk lag auf den Sicherheitseinrichtungen. So war die Zahl der wasserdichten Schotten erstmals auf 18 Stück erhöht worden und wesentlich stärker angelegt als bis dahin üblich.
Das signifikanteste Merkmal waren aber die vier Schornsteine, mit denen der Norddeutsche Lloyd eine völlig neue Schnelldampferklasse schuf, die weltweit kopiert wurde.
Und die Titanic?
In einer Serie unter dem Titel Zehn populäre Irrtümer der Geschichte schrieb das Nachrichtenmagazin Focus am 25. Februars 2014 unter der Überschrift Irrtum 8: Die Titanic war auf Rekordfahrt für das Blaue Band:
Mit rund 21 Knoten, also etwa 39 Stundenkilometern, pflügte die Titanic am 14. April 1912 durch den Nordatlantik der fatalen Kollision mit dem Eisberg entgegen. Damit erreichte sie annähernd ihre Höchstgeschwindigkeit. Um das begehrte Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung zu erhalten, reichte das aber nicht. Diese Auszeichnung gehörte damals der Mauretania der konkurrierenden Cunard Line, die mühelos 26 Knoten schaffte. Für die Überfahrt in die Neue Welt benötigte sie fast einen Tag weniger als die Titanic, die mit ihrem Tempo nach fünf Tagen in den Hafen von New York eingelaufen wäre.
Allerdings hatte die Reederei White Star Line gar nicht die Absicht, mit der Titanic Geschwindigkeitsrekorde zu brechen. Dafür war der Schiffsantrieb nicht ausgelegt. Die Maschinen der Titanic leisteten 51 000 PS, während die Mauretania über 78 000 PS verfügte. Damit hat man sich schon beim Bau vom Blauen Band verabschiedet, sagt Metin Tolan, Physiker an der Technischen Universität Dortmund und Verfasser des Buchs Titanic: Mit Physik in den Untergang.
Luxus statt Geschwindigkeit
Das Konzept der Titanic-Fahrten bestand darin, zahlungskräftigen Passagieren Luxus pur zu bieten. Der Ozeanriese war ein First Class Hotel auf dem Meer. Laut Tolan sei die längere Überfahrt sogar im Sinne der Betreiber gewesen: Da hatten sie noch einen Tag mehr, um betuchten Fahrgästen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Der teilweise noch immer verbreitete Irrglaube, dass die Titanic auf ihrer Jungfernfahrt einen neuen Rekord aufstellen sollte, geht unter anderem auf einen deutschen Propagandafilm von 1943 zurück. Seiner Schilderung zufolge soll die Reederei kurz vor dem Bankrott gestanden und deshalb den Kapitän bestochen haben, das Blaue Band zu erringen, um sich finanziell retten zu können. Auf diese Weise habe sie so die antibritische Propaganda des Films rücksichtslos das Leben der Passagiere aufs Spiel gesetzt.
Wie man sieht, gab es auch schon damals Fake News, die mitunter eine erstaunlich lange Haltbarkeitsdauer aufweisen
Aber man soll eben nicht alles glauben, was man so hört und liest.
Bleiben Sie ansonsten weiter vor allem schön gesund und munter und der Welt der Bücher gewogen. Die nächsten Sonderangebote für die dritte Novemberwoche sind schon gepackt.
Dazu gehören wieder vier Bücher von Bernhard Kellermann, so auch Der Magen von Paris. Wie bereits eingangs erwähnt, war Kellermann in seinem Leben viel unterwegs, darunter auch in Frankreich und in Paris. Seine Erlebnisse verwandelte er in Literatur. Dazu gehört die ebenfalls in dem 1979 erschienen Band EINE NACHLESE 1906-1951 veröffentlichte Reportage Der Magen von Paris. Paris schläft nie - besonders nicht dort, wo das Leben am lautesten pocht: in den Markthallen. Mit scharfem Blick und eindringlicher Sprache führt Bernhard Kellermann den Leser mitten hinein in das nächtliche Herz der Stadt, wo der Glanz der Boulevards abrupt in ein Meer aus Dampf, Stimmen und Gerüchen übergeht. Zwischen dampfenden Gemüsewagen, schillernden Blumenhügeln, geschlachteten Tieren und fluchenden Lastträgern entfaltet sich ein Panorama, das gleichermaßen fasziniert wie erschüttert.
Kellermann zeigt die pulsierende Metropole fernab touristischer Träumereien ein Paris der Gegensätze, der Reichtümer und der Schatten. Eine atmosphärisch dichte Reportage, die die Stadt so lebendig werden lässt, als stünde man selbst mitten im Lärm und Duft der Hallen.