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Forster in Paris. Erzählung von Erik Neutsch
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Preis E-Book:
7.99 €
Veröffentl.:
14.04.2013
ISBN:
978-3-86394-406-3 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 201 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Geschichte, Belletristik/Biografisch, Belletristik/Politik, Belletristik/Krieg & Militär
Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Historischer Roman, Kriegsromane, Biografischer Roman
Pariser Kommune, Georg Forster, Weltreisender, Robespierre, Mainzer Republik, Französische Revolution, Guillotine
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«Halt an, Bürger. Bist du ein Freund, trinke mit uns und nimm einen Happen.»

Ein Krüppel lud ihn ein. Beide Beine waren ihm abgeschossen, bei Jemappes, wie er sagte, und er bewegte sich auf einem flachen Karren mit vier Holzrädern, indem er sie mit seinen Händen bediente.

«Es kann doch nicht alles umsonst gewesen sein. Leben wollen wir, leben. Verstehst du? Wie einstmals die Könige. Satt werden jeden Tag. Sie, die Blutsauger, sollen geköpft werden, aber das französische Volk - es soll leben.»

Forster nahm einen Schluck, einen Bissen trockenen Brots und gebratenen Fleischs. Es mochte von Hunden oder Katzen stammen. Aber er hatte ja unter Cooks Kommando auch schon Ratten verzehrt. Er dachte: Die Männer haben Arme und Beine verloren, sogar das Augenlicht, doch es stört sie nicht Sie haben auch ihre Ketten abgestreift. Und das vor allem läßt sie den Verlust ihrer Glieder ertragen...

Er erreichte die Quaimauern der Seine, hörte den Fluß unter sich rauschen und erblickte vor sich den Pont Neuf mit seinen unverkennbar stämmigen Pfeilern und niedrig geschwungenen Bögen. Erneut suchte er Halt, lehnte sich auf der Brücke gegen die steinerne Brüstung und starrte in das dunkle, im Widerschein der Uferlaternen sich leicht bewegende, zitternde und glitzernde Wasser. Mit jedem Schritt hatte er das Gefühl, nahm seine Schwäche zu. Die Beine wurden ihm schwer, so müde und bleiern schwer, daß sie ihm nicht mehr gehorchen wollten und er sie von seinem Körper abgetrennt wähnte. Kalter Schweiß troff über seine Stirn, rann den Nacken herab, bedeckte klebrig seinen Rücken und tränkte seine Kleider.

Oder war es nicht doch der immer heftiger werdende Regen, der ihn jetzt bis auf die Haut durchnäßte? Mein Gott, wenn das so fortgeht, kann ich mich nur gefaßt machen, mich bis in den Frühling als armer Gefangener ans Bett gefesselt zu sehen. Das aber fehlte noch, einen ehrlichen Kerl so peu á peu zur Welt hinauszumartern...

Auch am Quai im Dämmerschatten des Louvre kreischten die Geräusche der Bohrer. Zwei Barken lagen dort vor Anker, umgebaut zu Werkstätten, in deren flackerndem Licht Geschützrohre bearbeitet wurden.

Der Lärm betäubte ihn, und er schloß für Sekunden die Augen.

Vom Pont Neuf brauchte er höchstens noch eine halbe Stunde bis in sein Quartier. Er atmete tief. Er wollte sich wieder aufraffen.

Doch plötzlich hörte er dicht neben sich Stimmen. Eine Streife der Nationalgarde sprach ihn an. Ihren heimlich gewechselten Worten entnahm er, daß ihn die Posten für betrunken hielten.

«Nein», keuchte er, «nur krank. Unendlich einsam und krank.»

Offenbar wollten sie verhindern, daß er noch länger dem Treiben auf den Barken zuschaute. Womöglich glaubten sie gar, er sei ein Spion.

«Ihre Carte de civisme, Bürger.»

Er zeigte ihnen den Ausweis, den jetzt jeder nach dem Gesetz über die Verdächtigen bei sich zu tragen hatte und der nicht nur seine Personalien angab, sondern ihm auch eine tadelsfreie republikanische Gesinnung attestierte.

«Voilá. Sie können passieren.»

Forster löste sich von der Brüstung. Doch schon nach wenigen Schritten versagten ihm seine Füße den Dienst. Er sank auf die Knie. Schwindel im Kopf. Er versuchte, sich wieder aufzurichten. Seine Hände wühlten in modrigem Laub. Natürlich, die Straßen wurden weder gefegt noch ausgebessert... Und er spürte noch, daß die Männer ihm unter die Arme griffen, ihn aufhoben, und hörte sich antworten, als sie nach seiner Adresse fragten.

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