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Blutiger Raps. Ein Staatsschutzroman aus Mecklenburg-Vorpommern von Ulrich Hinse
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Preis E-Book:
8.99 €
Buch:
12.80 €
Veröffentl.:
23.09.2013
ISBN:
978-3-934301-76-4 (Buch), 978-3-86394-350-9 (E-Book)
Sprache:
deutsch
Umfang:
ca. 430 Seiten
Kategorien:
Belletristik/Action und Abenteuer, Belletristik/Thriller/Politik, Belletristik/Thriller/Politik, Belletristik/Verbrechen, Belletristik/Krimis & Detektivgeschichten/Polizeiprozesse, Belletristik/Liebesroman/Spannung, Belletristik/Moderne Frauen, Belletristik/Politik
Abenteuerromane, Kriminalromane und Mystery: Polizeiarbeit, Belletristik: Themen, Stoffe, Motive: Politik, Thriller / Spannung, Kriminalromane und Mystery, Belletristik: romantische Spannung, Politthriller/Justizthriller
Skinheads, Linksextreme, Russenmafia, Ausländerhass, Menschenraub, Prostitution, Zwangsarbeit, Tschetschenien, Flucht
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Sie hatten sich in ihr Schicksal ergeben. An Flucht war nicht zu denken. Sie wussten nicht einmal, wo sie sich befanden. Das Zeitgefühl ging ihnen verloren. Jeweils in der Nacht durften sie an der frischen Luft die Füße vertreten. Auch bei dieser Gelegenheit war eine Flucht unmöglich. Der LKW stand immer in einem geschlossenen Hinterhof ohne Licht, der von hohen Mauern begrenzt war. Bei diesen Aufenthalten wurde der LKW stets aufgetankt. Außer dem Mann, der Igor genannt wurde, was sie am Strand gehört hatten, sahen sie niemanden. Die Fahrt dauerte einige Tage. Endlich schienen sie am Ziel zu sein.

Sie wurden gemeinsam aus dem LKW gelassen, der vor einer Holzbaracke in einem weitläufigen Bergwerksgelände stand. Hinter der Baracke verhinderten hohe Palisadenwände den Einblick in ein gesondertes Areal. Ein Wachturm war nicht zu erkennen.

„Wir sind in einem Arbeitslager", stellte Dolph fest, nachdem er sich vorsichtig umgeblickt hatte. Er war bleich geworden.

„In einem Salzbergwerk, wenn ich mir die weißen Halden da hinten ansehe. Vermutlich im Süden Russlands oder in Kasachstan, sonst wäre es nicht so warm", widersprach Timo und ergänzte, nachdem er sich weiter umgesehen hatte, „das Bergwerk war aber längere Zeit nicht in Betrieb. Es sieht ziemlich verlassen aus. Auch die Bahngleise da vorne sehen nicht so aus, als ob ständig Züge fahren."

„Das sieht wirklich nur verlassen aus, ist es aber nicht", meldete sich nach einiger Zeit Wolf zu Wort, „die Gebäude sind zwar verfallen, aber es wird gearbeitet. Die Förderanlage ist in Betrieb. In den Werkshallen stehen Militär-LKW. Und ich habe auch einige Posten mit Gewehren gesehen."

Axel bestätigte seine Beobachtungen.

Jenny begann zu weinen. Bevor Timo sie trösten konnte, hatte Boomer sie schon in den Arm genommen. Die anderen sahen sich neugierig um. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, denn in diesem Moment kam Igor aus der Baracke.

„Kommen. Schnell, schnell", befahl er. Die Gruppe um Timo setzte sich wie in Trance in Bewegung. Hinter ihnen wurde die Tür abgeschlossen. Durch einen schmalen, muffig riechenden Flur mit mehreren Türen links und rechts, wurden sie von Igor in einen größeren Raum geführt; eine Art Büro. Sie mussten sich nebeneinander mit dem Rücken zur Wand aufstellen. Hinter Igor hatten sich noch drei kräftige Männer in uniformähnlicher Kleidung hereingedrängt, die Deutschen nicht eine Sekunde aus den Augen lassend.

Das einzige Möbelstück in dem schmucklosen Büroraum war ein alter Holzschreibtisch, hinter dem ein kahlköpfiger Mann saß. Neben ihm stand eine grimmig aussehende Mittvierzigerin, die ihr glattes schwarzes Haar streng nach hinten gekämmt und in einem Knoten zusammengesteckt hatte. Typ Gouvernante, dachte Timo, als er die Szene betrachtete.

Der Kahlköpfige sah die Gruppe mehrere Minuten schweigend an, wobei er jeden einzelnen fixierte. Auf Jenny blieb sein Blick länger haften als auf den Männern. Es war klar, er taxierte sie, wobei sein Gesicht keine Regung erkennen ließ. Timo und die anderen fühlten sich bei dieser Musterung unbehaglich. Sie verhieß nichts Gutes. Endlich brach der Kahlkopf das Schweigen. In russischer Sprache, die keiner von ihnen verstand, hielt er einen Vortrag. Als er geendet hatte, übersetzte die „Gouvernante" in fließendem Deutsch.

„Das ist der Chef", sagte sie, wobei sie mit einer Handbewegung auf den Kahlkopf wies, der behutsam eine Zigarette aus einer Packung fischte, sie umständlich entzündete und gelangweilt dem blauen Rauch nachsah. „Und er hat euch hier im Bergwerk begrüßt. Ihr werdet hier für ihn arbeiten. Die Männer in den Stollen; das Mädchen in der Küche, in der Wäscherei oder in der Krankenstation. Ihr werdet in einer geschlossenen Baracke schlafen. Gemeinsam als Gruppe morgens in die Stollen einfahren, arbeiten und dann wieder heraufkommen. So lange, bis es keine Arbeit mehr gibt. Wer fleißig arbeitet, bekommt zu essen. Wer nicht arbeitet, bekommt nichts zu essen. Wer krank wird, muss zum Arzt. Wer so krank ist, dass er nicht mehr arbeiten kann, kommt auf die Krankenstation. Flucht ist sinnlos. Das Bergwerk ist Sperrgebiet. Mit euch werden Gefangene aus russischen Straflagern arbeiten. In eigenen Gruppen. Mit ihnen habt ihr nichts zu tun. Haltet euch von ihnen fern. Die haben sich übrigens alle freiwillig gemeldet, weil sie den Straflagern entgehen wollen. Da sind die Verhältnisse noch schlechter als hier. Merkt euch das. Eure Arbeit besteht darin, Maschinenteile und Fässer in dem Salzstollen zu stapeln. Euer Vorarbeiter ist Iwan. Seinen Befehlen habt ihr zu gehorchen."

Als wenn er auf das Stichwort gewartet hätte, trat in diesem Moment ein breitschultriger, brutal aussehender stoppelhaariger Mann in den Raum, der sich devot vor dem Chef verneigte.

„Iwan der Schreckliche", murmelte fast unhörbar Dolph. Aber Iwan hatte es dennoch gehört. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er Dolph. Sein Gesicht verzog sich zu einem hässlichen Grinsen. Die „Gouvernante" fuhr ohne Gemütsregung fort:

„Er spricht kein Deutsch, aber der Chef ist sicher, dass ihr Iwan in kürzester Zeit verstehen werdet. Er hat seine eigene Art, sich verständlich zu machen. Iwan wird euch jetzt mitnehmen. Euch werden die Haare geschnitten. Danach bekommt ihr eine einheitliche Kleidung. Morgen früh fängt für euch die Arbeit an. Dann kommt ein Transport, der ausgeladen werden muss. Wenn ihr Beschwerden habt, fragt nach Svetlana. Das bin ich. Ich werde alles regeln, wenn der Chef nicht hier ist. Und er ist kaum hier. Das Mädchen geht gleich mit mir, die anderen mit Iwan."

 

Blutiger Raps. Ein Staatsschutzroman aus Mecklenburg-Vorpommern von Ulrich Hinse: TextAuszug